Stellungnahme der grünen Fraktion zur GVV
Am 21.06. haben die Fraktionen im Singener Gemeinderat eine Stellungnahme zum Untersuchungsbericht zur städtischen Wohnbaugesellschaft GVV abgegeben. Nachfolgend finden sie die Stellungnahme der grünen Fraktion.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Häusler, sehr geehrte Damen und Herren,
Die Insolvenz unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ist eine Katastrophe. Es ist nicht nur der riesige finanzielle Schaden, der schmerzt, wir sind auch eines wichtigen Instrumentes beraubt, um wirksamen Einfluss auf die Wohnraumentwicklung zu nehmen. Auch das Vertrauensverhältnis zwischen den Mandatsträgern und den Bürgerinnen und Bürger hat schwer gelitten.
Ein Arzt würde im Zusammenhang mit dem Untergang der GVV vermutlich von einem multiplen Organversagen sprechen.
Das Organ Gesellschafter Stadt Singen
Bereits bei der Gründung und bei der Übergabe des städtischen Wohnungsbestandes wurden entscheidende Fehler gemacht. Es gab keinen gleichberechtigten zweiten Geschäftsführer und der Geschäftsführer war mit zu vielen Kompetenzen ausgestattet. Dieser Geburtsfehler wurde auch später von den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Aufsichtsräten nicht mehr korrigiert bzw. die Versuche sind gescheitert.
Es wurden der GVV auch zu viele sachfremde Aufgaben übertragen. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, dass sich die GVV auch um Gewerbeimmobilien gekümmert hat. Die Beteiligung an einem Schlachthof und der Betrieb des Gründerzentrums Sintec gehören eigentlich nicht zu den Kernaufgaben einer Wohnungsbaugesellschaft. Die dicksten Brocken waren aber der Bau des Hegau Towers und die Aufgabe, das Kunsthallenareal zu entwickeln, um dort ein Einkaufszentrum anzusiedeln.
Organ Geschäftsführer
Wie wir heute wissen, war der langjährige Geschäftsführer mit der wachsenden GVV und den neuen Aufgaben überfordert und hatte beim Bau des Hegau Towers teilweise Berater, die an ihren eigenen Vorteil gedacht haben. Die Buchhaltung war ein Desaster. Das haben die zuletzt eingesetzten Berater aufgedeckt. Alles lief im Blindflug. Am Ende wurde mit kreativer Buchführung die Bilanz geschönt und die Kompetenzen wurden überschritten. Frau Dr. Sandkuhl hat das in ihren Berichten ausführliche dargestellt. Deshalb verzichte ich hier auf weitere Einzelheiten.
Ein Geschäftsführer hat eine besondere Stellung in einem Unternehmen und ist damit hauptverantwortlich für den Erfolg oder das Scheitern einer Gesellschaft.
Organ Aufsichtsratsvorsitzender
Der von 2005 bis 2013 amtierende Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Ehret hatte den engsten Kontakt zum Geschäftsführer und regelmäßige Besprechungen mit ihm. Da ich in der Zeit nicht im Aufsichtsrat war, kann ich zu der dortigen Arbeit nichts sagen. Die GVV war auch immer wieder Thema im Verwaltungs- und Finanzausschuss. Dort wurden auch die Bilanzen vorgelegt und auch dort haben die Wirtschaftprüfer ihre Berichte vorgetragen. Im VFA habe ich einen Aufsichtsratsvorsitzenden Oliver Ehret erlebt, von dem keine Initiative oder Unterstützung ausging. Z.B. wurde immer wieder von Frau Netzhammer gefordert, dass die GVV die Bauträgerprojekte einzeln abrechnen soll, um zu sehen, ob sie tatsächlich Gewinne abwerfen. Auch als der damalige Geschäftsführer Grundler einmal zugegeben hat, dass er seine Finanzabteilung nicht im Griff habe, gab es keine erkennbaren Initiativen des Aufsichtsratsvorsitzenden.
Wie die Untersuchungen von Frau Dr. Sandkuhl gezeigt haben, hat der Aufsichtsratsvorsitzende wichtige Informationen des Regierungspräsidiums im Zusammenhang mit dem Bau des Hegau Towers zurück gehalten oder verwässert.
Rechtlich hatte der Oberbürgermeister die Möglichkeit, der GVV einen Kassenkredit zu gewähren. Aber 5 Mio. Euro am Gemeinderat vorbei zu gewähren, war schon eine Brüskierung und das Gegenteil von vertrauensvoller Zusammenarbeit.
Organ Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft wird normalerweise aus den Reihen des Gemeinderates gestellt. Ob es im Gemeinderat Menschen mit besonderen Fähigkeiten für einen Aufsichtsratsposten gibt, ist dem Zufall der Kommunalwahl überlassen. Die natürlichen Verbündeten des Aufsichtsrates und des Gemeinderates sind der Aufsichtsratsvorsitzende und die Wirtschaftsprüfer.
Die Wirtschaftsprüfer, die bis 2013 beauftragt waren, haben geprüft und Berichte vorgelegt, aber angeblich nichts gefunden bzw. nicht gesagt, dass vieles schlecht läuft. Ihnen wurde vom Aufsichtsrat unterstellt, dass sie die Kompetenz haben, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens richtig einzuschätzen. Auch die Banken haben der GVV eine sehr gute Bonität bestätigt. Heute wissen wir, dass die tatsächliche Situation der GVV eine ganz andere war. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch richtig, die Wirtschaftsprüfer auf Schadensersatz zu verklagen.
Es gab immer wieder Gerüchte und Geschichten um die GVV, die sicherlich auch bis zu den Aufsichtsratsmitgliedern vorgedrungen sind. Aus heutiger Sicht wäre es richtig gewesen, aufgrund dieser Gerüchte und den unerfüllten Forderungen gegenüber dem Geschäftsführer aus dem Aufsichts- und Gemeinderat frühzeitig eine Sonderprüfung zu veranlassen. Aber hinterher ist man immer schlauer….
Frau Dr. Sandkuhl hat in beiden Vorträgen darüber berichtet, dass ein ehemaliges Aufsichtsratsmitglied zu Protokoll gegeben hat, dass er sich für 50 Euro nicht den Nachmittag versauen lasse. Das wurde nicht nur im Interview so daher gesagt, es wurde auch so durch Unterschrift unter das Protokoll bestätigt. Das ist unglaublich und hat den Ruf aller ehrenamtlicher Aufsichts- und Gemeinderäte schwer beschädigt. Ich kann für die Grüne Fraktion sagen, dass wir uns zum Wohle der Stadt auch für 0 Euro Vergütung den Nachmittag versauen lassen. Und ich denke, das gilt für die große Mehrzahl der anwesenden Gemeinderäte. Wer das nicht will, der sollte prüfen, ob er nicht für jemand anderen den Platz freimachen sollte.
Aufarbeitung
Nach der Insolvenz wurde vom Gemeinderat die lückenlose Aufarbeitung beschlossen und das Büro Dr. Sandkuhl mit den Untersuchungen beauftragt. Diese Ergebnisse wurden in öffentlichen Sitzungen vorgestellt und der Gemeinderat hat auch beschlossen, diese an die Staatsanwaltschaft zu geben.
Die Prüfung durch Frau Dr. Sandkuhl hat einiges Neues und einige Merkwürdigkeiten ans Tageslicht gebracht.
Frau Dr. Sandkuhl sagt uns, dass auch der Aufsichtsrat und somit auch der Aufsichtsratsvorsitzende versagt hätten. Diese hätten den Wirtschaftsprüfern und Banken nicht blind glauben dürfen.
Im Rahmen der Bürgschaften wird die Frage diskutiert, ob diese Europarechtskonform sind. Wenn nein, dann muss die Stadt nicht dafür einstehen. Würde Oberbürgermeister Häusler die Auszahlung der Bürgschaften unter diesen Bedingungen veranlassen, dann würde er sich evtl. der Veruntreuung schuldig machen. Sagt ihm aber ein juristischer Berater, dass alles in Ordnung ist, dann muss er dem Berater nicht misstrauen und könnte ohne Folgen für sich die Auszahlung veranlassen. Für den Aufsichtsrat waren die Wirtschaftsprüfer nichts anderes wie der juristische Beistand für den OB.
Das passt aus meiner Sicht nicht zusammen.
Wir wissen heute, dass hautsächlich die Realisierung des Hegau-Towers die GVV in die Knie gezwungen hat. Das Gebäude wurde wesentlich teurer als wirtschaftlich vertretbar war und die Finanzierung mit Schweizer Franken und dem Wechselkursrisiko hat zu hohen Millionenverlusten geführt. Es wurden Spekulationsgeschäfte getätigt, die eigentlich für öffentliche Unternehmen verboten sind.
Die Idee zum Hegau Tower, wie auch zum HBH-Klinikverbund stammen noch aus der Zeit von OB Renner. Beide Großprojekte sind kläglich gescheitert.
Merkwürdigkeiten
Scheinbar gab es 2005 einen externen Berater, der eine Wirtschaftlichkeitsberechung für den Hegau Tower gemacht hat. Im Interview konnte sich der Berater noch gut erinnern und wusste auch noch, welche Aufsichtsräte daran teilgenommen haben. Im Protokoll der Aufsichtsratssitzung finden sich keine Hinweise über diesen Vortrag zur Wirtschaftlichkeitsberechnung bzw. zu den Zahlen. Über die Gründe möchte ich jetzt nicht spekulieren. Aber es gehört zu den Merkwürdigkeiten bei der GVV, dass solche wichtigen Informationen nicht im Protokoll stehen und sich die Aufsichtsräte und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende nicht daran erinnern können.
FC Singen
Dass es Verflechtungen zwischen der GVV und dem FC Singen gab, ist unbestritten. Diese wurden mit angezogener Handbremse untersucht. Was völlig unter den Tisch gefallen ist, war der Umgang des GVV Geschäftsführers mit Mitarbeitern, die nicht für den FC Singen arbeiten wollten. Die wurden schlicht und einfach vom Geschäftsführer aus dem Unternehmen gedrängt. Das ist durch Interviews gut belegt und ein unglaublicher Vorgang.
Verantwortung
Der Insolvenzverwalter wird zivilrechtliche Ansprüche und die Staatsanwaltschaft wird strafrechtliche Verantwortlichkeiten prüfen. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger nach der Insolvenz einer öffentlichen Gesellschaft in einem Rechtsstaat erwarten dürfen.
Uns als Kommunalpolitiker wurde die Kontrolle der städtischen Wohnbaugesellschaft übertragen. Auch wenn wir nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, stehen wir in der Verantwortung. Nachdem jetzt der Abschlussbericht vorliegt, muss jeder und jede der Beteiligten für sich prüfen, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Diese Möglichkeit haben aber auch die Wählerinnen und Wähler bei der nächsten Kommunalwahl.
Welche Konsequenzen sollten wir aus diesen Vorgängen ziehen?
Die vor vielen Jahren propagierte Ausgliederung von städtischen Einrichtungen in GmbHs haben viele der versprochenen Vorteile nicht gehalten. Wir sehen heute, dass wir deutlich bessere Instrumente der Überwachung und Steuerung bei Eigenbetrieben haben.
Auch in Zukunft wird der Gemeinderat, zum Glück, nicht nur aus Wirtschaftsprüfern und Juristen bestehen, die wir dann in solche Gremien schicken können. Aber wir sollten darauf achten, dass die, die überwachen, eine ausreichende persönliche Distanz haben zu denen, die sie überwachen sollen.
Auch wenn solche Gremien nicht immer optimal arbeiten oder vielleicht auch mal versagen, so muss man sie nicht gleich komplett in Frage stellen.
Eberhard Röhm
zurück