Haushaltsrede 2019, Bündnis 90/Die Grünen

05.02.2019

Haushaltsrede 2019

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Häusler, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Seifried, meine Damen und Herren,

wir wurden alle zu Beginn der Haushaltsberatungen von den im Haushaltsplanentwurf stehenden 21 Mio. Euro Schuldenaufnahme überrascht. Das Wechselspiel zwischen hohen Gewerbesteuereinnahmen in den Vorjahren, höheren Umlagen und geringeren Zuweisungen hat uns mit dem zusätzlichen Rückgang der Gewerbesteuer für dieses Jahr negativ überrascht. Als Konsequenz müssen wir in der Zukunft, bei überdurch-schnittlichen Gewerbesteuereinnahmen, die Rücklagen deutlich erhöhen.

Unsere Befürchtung ist, dass bei einer so hohen Schuldenaufnahme das Regierungs-präsidium Auflagen machen wird, die wir evtl. politisch nicht wollen. Ich darf daran erinnern, dass nach der Finanzkrise, als wir eine deutlich geringere Schuldenaufnahme geplant hatten, das RP uns verboten hat, dem vor der Insolvenz bedrohten Krankenhaus finanziell zu helfen. Ein Krankenhaus ist keine Pflichtaufgabe der Kommune, war das Argument. Wir machen als Stadt sehr viele Dinge, die keine Pflichtaufgabe, aber für Singen sehr wichtig sind, z.B. Unterstützung von Familien etc.

Deshalb ist es nach unserer Auffassung wichtig, die Schuldenaufnahme deutlich zu verringern, und zwar durch realistischere Ansätze beim Arbeitspensum für 2019, durch Verschiebung von nicht dringend notwendigen Maßnahmen und auch Hinterfragung von schon beschlossenen Maßnahmen. Viele Dinge haben wir entschieden, bevor wir von der hohen Schuldenaufnahme wussten. Wir sind froh, dass es gelungen ist, den Schulden-bedarf zu reduzieren. Aus unserer Sicht wäre da auch mehr möglich gewesen.

Die schon länger angekündigte und im letzten Jahr gestartete Arbeitsgruppe Konsolidierungsmaßnahmen zeigt, dass wir mittelfristig ein Problem haben werden, alle Maßnahmen zu finanzieren. Wir hätten uns gewünscht, dass der Gemeinderat hier mit eingebunden worden wäre. Wir hoffen darauf, dass das 2019 nachgeholt wird.

Wir Grüne stehen hinter den Investitionen für die Kinderbetreuung mit dem Neubau eines Kindergartens in der Nordstadt und weiteren Maßnahmen zur Erhöhung der Plätze und zur Verbesserung der baulichen Qualität. Auch die Schulsanierungen und die Verbesserung der Ausstattung sind Investitionen in die Zukunft. Es ist uns wichtig, dass wir alle Schulen gleich behandeln, vom FriWö bis zur Hebelschule. Mit den 270 TEuro für ein paar wenige zusätzliche Parkplätze in der Schwarzwaldstraße hätte man für einige Grundschulen die Digitalisierungsausrüstung bezahlen können. Das schmerzt uns sehr.

Wir sind dankbar dafür, dass sie unseren Vorschlag vom letzten Jahr aufgegriffen und eine Klausurtagung zum Thema Wohnen durchgeführt haben. Leider hat die Zeit nicht gereicht, dass auch Ihre Ideen, Herr Oberbürgermeister, vorgestellt werden konnten und wir wissen heute noch nicht genau, was Sie in der Richtung vorhaben. Wir haben den Eindruck, dass das Thema bei vielen an Priorität deutlich verloren hat. Selbst einfache Fragen aus der Klausurtagung, wie zum Beispiel positive Beispiele für familiengerechten Geschosswohnungsbau dem Gemeinderat vorzulegen, wurden bis heute nicht beantwortet.

Im Haushaltsplan finden sich keine Mittel für eine soziale Wohnbauförderung. Es reicht nicht aus, ein paar auf dem Markt angebotene Wohnungen zu kaufen. Das schafft keinen neuen bezahlbaren Wohnraum! Deshalb müssen wir das Instrument der Verpflichtung zu einem Anteil an geförderten Mietwohnungen bei größeren Wohnbauprojekten auch in Singen einsetzen. Dieses Mittel funktioniert in anderen Städten. Warum sollte es in Singen nicht auch funktionieren und zumutbar sein? Wenn wir gar nichts machen, dann lassen wir alle die im Stich, die mit einem kleinen und mittleren Einkommen auskommen müssen und dringend Wohnraum brauchen.

Neuer Wohnraum braucht neue Flächen, das stimmt aber nur zum Teil. Um Flächen zu schonen, müssen wir mehr in die Höhe bauen. Attraktiver Wohnraum im Geschoss-wohnungsbau, auch für Familien, ist möglich und wir müssen das auch einfordern. Vorrang muss aber die Innenentwicklung haben. Dort gibt es noch Möglichkeiten, vorhandene Gebäude besser zu nutzen. Wir sollten den Flächenbedarf aber nicht gegen die Anforderungen zum innerstädtischen Klimaschutz ausspielen. Wenn wir durch eine Bebauung der Knöpfleswies die kühlenden Luftströme für die Innenstadt unterbinden, dann haben wir zwar neue Wohnungen geschaffen, aber die Wohnqualität der Innenstadt verschlechtert.

Wir schieben einen scheinbar nicht kleiner werdenden Berg von Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen vor uns her. Immer wieder kommen neue Baustellen, in diesem Jahr die Scheffelhalle als akuter Fall, dazu. Parallel gibt es einige Großprojekte wie die 3-teilige Sporthalle, die Sanierung des Hallenbades, ein neues Feuerwehrgerätehaus etc., die wir für wünschenswert und wichtig erachten. Im letzten Jahr hegten einige Gemeinderäte die Hoffnung, dass in 2019 der Spatenstich für die neue Sporthalle erfolgen könnte. Davon sind wir weit weg. Wenn wir als Gemeinderat nicht kostenbewusster werden, dann werden wir diesen Zielen nicht näher kommen. Beispiele:
- Herz-Jesu Tiefgarage, ca. 55 TEuro pro Stellplatz, obwohl es in 200 m Entfernung eine Alternative für 18 TEuro pro Stellplatz gegeben hätte.
- Luxussanierung Hegaustraße, da musste man jetzt noch ein spezielles Reinigungsgerät kaufen, damit es nicht schmuddelig aussieht.
- Kreuzensteinplatz: den kann man aufwerten, aber muss man tatsächlich über 700 TEuro dafür investieren.
- Parkplätze an der Schwarzwaldstraße neu machen für wenige zusätzliche Parkplätze, 270 TEuro.

Der Klimawandel schreitet schneller voran als bisher gedacht. So jedenfalls das Fazit der Klimakonferenz in Kattowitz. Es ist unbestritten, dass den Kommunen beim Einsatz gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle zukommt. Schon die Ablehnung einer Dachbegrünung für das Dach am neuen Bussteig war nicht nachvollziehbar. Dass man aber kurz vor der Vorstellung der Klimaanalyse nicht bereit war, wenige Wochen zu warten, um über die Ausgestaltung der neuen Kreisverkehre zu entscheiden, zeigt, dass das Bewusstsein für dieses Thema bei vielen noch nicht wirklich da ist. Wenn sich dann noch Kolleginnen und Kollegen von den Ergebnissen der Klimaanalyse überrascht zeigen, dann fragt man sich, „in welcher Welt leben sie?“

Es gibt zum Glück aber auch eine ganze Reihe von Maßnahmen und Aktionen zum Klimaschutz, die in den letzten Jahren von der Stadt gestartet wurden und jetzt verstetigt und ausgebaut werden müssten. Da schmerzt es sehr, dass es in diesem Bereich fast gleichzeitig an zwei Positionen zu einem Personalwechsel kommt. Hier haben wir die dringende Bitte, dass diese Stellen schnell neu besetzt werden.

Das in wenigen Monaten zur Verfügung stehende Mobilitätskonzept wird uns Maßnahmen vorschlagen, die die Innenstadt attraktiver machen, die den Lärm und die Schadstoffe reduzieren, die mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer bringen, den ÖPNV attraktiver machen und insgesamt einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz bringen könnten.

Da ist es umso verwunderlicher, dass wir im Vorfeld, ohne Not, einen Grundsatzbeschluss für ein neues Parkhaus fassen und damit die Gutachter vor den Kopf stoßen. Da das Thema Mobilität ein absolutes Zukunftsthema und sehr vielschichtig ist, schlagen wir vor, mit dem neuen Gemeinderat eine Klausurtagung dazu durchzuführen.

Beim Thema Kiesabbau im Dellenhau unterstützen wir die Verwaltung bei dem Weg, das vor Gericht entscheiden zu lassen. Die Praxis, sinnlose neue Abbaugebiete aufzumachen, wenn eh schon weit mehr als für unsere Region notwendig genehmigt ist, muss endlich beendet werden.

Beim Thema Nahversorgung in der Nordstadt müssen wir jetzt auch langsam auf die Zielgerade einbiegen.

Wir haben mit viel Aufwand und kontroversen Diskussion die Vorschläge zur Kulturentwicklung in Singen zur Kenntnis genommen. Jetzt ist die Verwaltung gefordert, hier konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Wir würden uns wünschen, wenn wir hier verstärkt junge Menschen ansprechen und ihnen ihren Bedürfnissen entsprechende Angebote und Veranstaltungsorte anbieten würden.

Die von der Verwaltung vorgeschlagene Fahrradstraße von der Nordstadt bis zum Heinrich-Weber Platz werden wir weiter unterstützen. Wir müssen aber gute und schnelle Radverbindungen überall in der Stadt haben. Deshalb kann das nur der Anfang sein. Das Insektensterben ist ein Indikator dafür, dass sich unsere Umwelt zum Schlechteren hin verändert hat. Deshalb müssen auch wir in Singen unsere Aktivitäten zur Verbesserung der Biodiversität im Innen- und Außenbereich deutlich steigern.

Das Thema Integration stand in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt. Durch den Rückgang der Flüchtlinge hat sich die Situation etwas entspannt. Dennoch bleibt Integration noch für viele Jahre ein wichtiges Thema, das ohne die ehrenamtlichen Helfer nicht zu bewältigen wäre. Deshalb wollen wir uns auch dieses Jahr bei all diesen Helfern bedanken.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird dem Haushaltsplan für 2019, trotz einiger Kritikpunkte, zustimmen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir als Gemeinderat unser Augenmerk in naher Zukunft verstärkt auf die wirklich wichtigen Zukunftsthemen richten werden.

Wir bedanken uns bei der gesamten Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit im letzten Jahr.

Eberhard Röhm
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen



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